Die Solidaritätszone ruft regelmäßig zu Spenden auf, um Anwaltskosten im Berufungsverfahren zu decken. Warum ist es so wichtig, ein Urteil anzufechten?
1.
Auch wenn es in Russland keine unabhängige Justiz gibt, können Berufungen in Einzelfällen zu einer Strafminderung führen. Warum also diese Chance nicht nutzen?
So wurde beispielsweise das Urteil gegen den Antikriegsaktivisten Bulat Schumekow, der wegen der Verbreitung „falscher Informationen“ über die russische Armee verurteilt wurde, nach einer Berufung von 7 auf 5,5 Jahre reduziert.
2.
Ein Urteil anzufechten, heißt, eine politische Haltung einzunehmen. Eine Berufung einzulegen, ist ein politischer Akt. Für einige Organisationen und Institutionen kann die Tatsache, dass jemand Berufung eingelegt hat, ausschlaggebend dafür sein, ob sie diese Person als politischen Gefangenen anerkennen und unterstützen.
3.
Die nationale Berufung ist ein notwendiger Schritt, um sich anschließend an internationale Gremien wie den UN-Menschenrechtsausschuss wenden zu können.
4.
Wir glauben, dass sich die Situation in Russland ändern wird, lange bevor die drakonischen Strafen von 10, 13 oder 19 Jahren vollständig verbüßt sind. Es wäre großartig, wenn alle einfach freigelassen würden. Doch möglicherweise wird es bürokratische Verfahren geben, um Urteile in politisch motivierten Fällen zu überprüfen. In den Fällen, in denen ein Berufungsverfahren durchlaufen wurde – also wo die Verurteilten dem Urteil widersprochen haben –, wird es wahrscheinlich einfacher sein, eine Aufhebung des Urteils zu erreichen.
5.
Bis zur Entscheidung über die Berufung ist das Urteil nicht rechtskräftig – die Person bleibt in Untersuchungshaft. Die Bedingungen dort sind in der Regel besser als in den Straflagern, in die politische Gefangene später kommen. Und deutlich besser als in Hochsicherheitsgefängnissen, in denen Menschen landen, die wegen Terrorismusvorwürfen verurteilt wurden.
6.
Die Berufungsverhandlung ist oft die letzte Gelegenheit für politische Gefangene, öffentlich Stellung zu beziehen.
Diese sechs Gründe sind für uns überzeugend genug – deshalb unterstützen wir Gefangene bei Berufungen. Oft deckt das übliche Honorar von Anwält:innen die Einreichung einer Berufung und die Teilnahme an der zweiten Gerichtsverhandlung nicht ab. Deshalb sammeln wir gezielt für diese zusätzlichen Kosten.
Das Berufungsgericht für Militärsachen – das alle Urteile der Militärgerichte prüft – befindet sich in Wlasicha bei Moskau. Die Anreise von Anwält:innen aus anderen Regionen verursacht zusätzliche Kosten, die ebenfalls gedeckt werden müssen.
Berufung einlegen heißt kämpfen. Unterstützt unsere Spendenaktionen für Anwaltskosten im Berufungsverfahren.
Wir nutzen alle verfügbaren Wege, um Gerechtigkeit zu erreichen – und wir denken langfristig. Wir wollen zeigen, dass die gegen unsere Unterstützten geführten Verfahren politisch motiviert sind und die Urteile gegen sie illegal, unbegründet und ungerecht sind.
Freiheit für alle!